S.D. Johann II. Maria Franz Placidus Fürst von und zu Liechtenstein

Herzog von Troppau und Jägerndorf, Graf zu Rietberg

Regierer des Hauses von und zu Liechtenstein, seit 1862 der 987. Ritter des Ordens vom Goldenen Vlies, Bailli- und Ehrengroßkreuz des souveränen Malteser-Ritterordens.

Fürst Johann II. im Jahre 1908 auf einem Gemälde von John Quincy Adams - Original in der Sammlungen des Fürsten von und zu Liechtenstein/Wien, welches von der Stadt Wien in Auftrag gegeben wurde.

Fürst Johann II. wurde am 5. Oktober 1840 im Schloss Eisgrub geboren; verstorben am 11. Februar 1929 im Schloss Feldsberg und wurde in der Neuen Gruft der liechtensteinischen Familiengruft in Wranau, nördlich von Brünn, beigesetzt.

"... zu was bin ich denn Fürst, wenn ich nicht geben kann?"
(Fürst Johann II. von und zu Liechtenstein)

Er verbrachte viel Zeit in der Sommerresidenz Schloss Liechtenstein, wo er die Umgestaltung seiner Stammburg Liechtenstein, mit großem Interesse verfolgte.

Die dankbare Bevölkerung des Fürstentums errichtete an der mit seiner Hilfe erbauten Pfarrkirche von Schaan ein Denkmal, das zusammenfasst, wie das Volk ihn sah:

Dem Vater des Volkes -
Dem Helfer der Armen -
Dem Freund des Friedens -
Dem Hirten der Kunst -
Fürst Johann dem Guten

 

"Non loquimur magna, sed vivimus"
Nicht Großes reden, aber Großes leben. Leitspruch des Fürsten Johann II.

 

Fürst Johann II. genoss den Ruf eines hervorragenden Kunstkenners und Mäzens. Er veranlasste die Neuordnung der liechtensteinischen Gemäldegalerie und erweiterte sie durch umfangreiche Ankäufe. Bemerkenswert war auch sein Einsatz auf sozialem und humanitärem Gebiet. Neben der Einführung fortschrittlicher Sozialleistungen für sein Personal gab Fürst Johann bedeutende Spenden an zahlreiche Einzelpersonen, Wohlfahrtsanstalten und an diverse karitative und gemeinnützige Einrichtungen. Ebenso darf seine Bedeutung für die Wissenschaften, die Landwirtschaft und den Gartenbau nicht vergessen werden.

Sie erregte, er, in der Presse Aufsehen, vor allem wegen der erstmaligen Bekanntgabe 1908, dass Fürst Johann II. ,Mäzen innerhalb von 50 Jahren eine halbe Billiarde österreichische Goldkronen resp. Kc, ohne Anrechnung der verschiedenen laufenden Stiftungen für Spitäler und sonstige Humanitätsanstalten, der Patronatslasten und Fundationen während der genannten Zeit, spendete.

Als Förderer wissenschaftlicher Bestrebungen bedachte er ebenso das Pharmakologische Institut der Universität Wien wie beispielsweise die Akademie der Wissenschaften, gründete 1895, erstmals im Kaiserreich, eine Höhere Obst- und Gartenbauschule und finanzierte namhafte historische und kunstgeschichtliche Publikationen.

Im Zuge einer lebhaften Bautätigkeit wurden unzählige Burgen und Schlösser, Bauwerke und Landschaftsgärten errichtet und erhalten. Daneben unterstützte der Fürst zahlreiche Museen durch großzügige Schenkungen.

  • Von 1883-1903 ließ er die Stammburg Burg Liechtenstein sanieren und umgestalten
  • Von 1905 bis 1912 ließ er das zuvor verpachtete und heruntergekommene Schloss Vaduz umfassend renovieren und wiederherstellen
  • 1862 ließ er die Burg Fischhorn restaurieren
  • in den Jahren 1850 - 1910 wurden in seinem Auftrag die Burg Wartenstein am Semmering, Schloss Sternberg, Burg Seebenstein, Burg Klamm, Burg Greifenstein, Burg Thernberg, Schloß Feldsberg, Schloß Jägerndorf und die Burg Kaprun saniert
  • Schloss Veldthurns wurde saniert und schenkte es dann 1903 der Stadt Bozen, samt einer Dotation von 10.000,- Kronen zur Erhaltung des Schlosses
  • Wiener Palais (Wien 9) durch H. von Ferstel anstelle des Gartenbelvederes einen Neubau errichten
  • Baute die Gartenanlagen in Eisgrub (Lednice) aus
  • 1887 Restaurationsarbeiten seiner Patronatskirche zur hl. Kunigunde, Brunn am Gebirge auf seine Anregung und Kosten.
  • 1891 spendete Fürst Johannes II. 30.000 fl. Für den Bau der Pfarrkirche Gießhübl
  • 1896 ließ er in Mödling die Stadtpfarrkirche St. Othmar und den romanischen Karner sowie die Spitalskirche St. Ägidiuskirche auf seine Kosten restaurieren
  • Fürst Johannes II. trug die Kosten die Ausgestaltung des Neuweges in der Stadt Mödling (1891 bis 1893) und jener Anlagen, welche auf der südlichen Talseite am Hange des Frauensteins gemacht wurden (1900)
  • 1830 Pfarrkirche Hinterbrühl: Fürst Liechtenstein lässt die Kirche auf seine Kosten abtragen, und neu errichten - nur der alte Turm und der Hochaltar bleiben erhalten
  • mit seiner Spende von 600 Gulden konnte die Liechtensteinklamm im Pongau 1876 vollendet werden
  • 1907 schenkte Fürst Johann II. von und zu Liechtenstein der Stadt Mödling einen Waldkomplex im Ausmaße von 25.000 m², welcher 1908, anlässlich des sechzigjährigen Regierungsjubiläums des Kaisers und fünfzigjährigen des Fürsten den Namen "Jubiläumspark" erhielt
  • Als Förderer wissenschaftlicher Bestrebungen unterstützte er u. a. das Pharmakologische Institut der Universität sowie die Akademie der Wissenschaften in Wien
  • Museum der Stadt Wien: von 1894 - 1916 schenkte er 33 Gemälde und 24 Grafiken und mehrer 100 Kunstobjekte, welche den Ausgangspunkt für die Kunstsammlung des Historischen Museums Wien, bis heute bilden. In Dankbarkeit ihrem Gönner dadurch Ausdruck gegeben, dass in ihrem Auftrag der bekannte Porträtist John Quincy Adams ein Bild des Fürsten malte
  • Die Museen von Brünn, Troppau, Prag, Olmütz, Linz, Grau und Bozen wurden in den Jahren 1890 - 1920, aus den Beständen der fürstlichen Sammlung sowie mit Geldspenden bedacht
  • Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste Wien - Schenkungen und Legate durch Fürsten Johann II.
  • Das Kunsthistorische Museum erhält Werke von Waldmüller, von dem zu früh verstorbenen genialen Johann Gualbert Rasfalt, dem unvergleichlichen Schweizer Alexandre Calame, dessen Alpenbilder
  • Ferner schenkte der Fürst, welcher der "Österreichischen Gesellschaft für die archäologische Erforschung Kleinasiens" als Ehrenmitglied angehört, eine sehr große Summe an Bargeld
  • Seit dem Jahre 1864, dem Gründungsjahre, ist der Fürst Kurator des österreichischen Museums für Kunst und Industrie, das sich in erster Linie die Förderung des einheimischen Kunstgewerbes zur Ausgabe stellt Die Schenkungen, die der Fürst dem Museum für Kunst und Industrie zuwandte, gehen fast ins Unübersehbare, es befinden sich darunter ganze Sammlungen von Keramiken, alter Kostbarer Möbeln, Textilien, Skulpturen, von wertvollen Büsten und Kunstblättern
  • das Steiermärkische Kulturhistorische und Kunstgewerbemuseum und das Zeughaus Johanneum in Graz erhalten Kunstgegenstände und eine beachtliche Summe an Bargeld
  • die "Gesellschaft patriotischer Kunstfreunde" im Künstlerhaus Rudolphinum in Prag, deren Gemäldegalerie der Fürst eine Kollektion von 20 Kostbaren Meisterwerken aus der Blütezeit der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts schenkte
  • Schlesische Landesmuseum in Troppau, für das der Fürst den Baugrund widmete und das gerade seinen reichen Schenkungen von Kostbaren Ölgemälden und Aquarellen, von alten Stichen und Holzschnitten erster deutscher Meister und einigen Hunderten hervorragenden Werken der Plastik und des Kunstgewerbes
  • das Mährische Landesmuseum in Brünn, dessen Gemäldesammlung der Fürst nebst andern Widmungen um sechsundzwanzig bedeutende Werke vermehrte
  • Mährisched Kunst-Gewerbemuseum, Brünn
  • Museum der tschechoslowakischen Republik, Prag
  • die Landesbildergalerie in Linz, erhält Kunstwerke aus der fürstlichen Sammlung sowie eine beachtliche Summe an Bargeld
  • Dom zu St. Stefan, dessen Restaurierung der Fürst mit bedeutenden Summen unterstützte. Er ließ die darin befindliche Savoyensche oder Liechtenstein-Kapelle aus seinen Mitteln wiederherstellen. Die Kapelle, die vom Fürsten Hans Adam I. von Liechtenstein gestiftet und später als Begräbniskapelle der Mitglieder der Familie Savoyen-Liechtenstein bestimmt wurde, ruht u. a. auch der berühmte Feldherr Prinz Eugen von Savoyen, in einem prachtvollen Sarkophag seine letzte Ruhestätte gefunden hat
  • Die Kirche Maria am Gestade verdankt ihre Entstehung Johann I. von Liechtenstein, dem Hofmeister des Herzogs Albrecht III. von Österreich, der durch seinen plötzlichen Sturz an der Vollendung des Baues gehindert wurde, dem jedoch das Recht des Erbbegräbnisses in dieser Kirche gewahrt blieb. Tatsächlich wurden hier, wie gefundenen Grabplatten beweisen, die der regierende Fürst ankaufte und neu aufstellen ließ, das Mitglieder des liechtensteinischen Hauses hier beigesetzt wurden. Das schöne Grabmal Georgs VI. von Liechtenstein, des Begleiters Kaisers Maximilians und des deutschen Landsknechtführers Georg von Frundsberg, ist in der Michaeler Kirche ausgestellt und wurde vom Fürsten ebenfalls einer Erneuerung unterzogen
  • In unmittelbarer Nähe des fürstlichen Majoratspalais, in der Herrengasse, befindet sich die Minoritenkirche, deren Restauration vom Fürsten mit einer großen Summe gefördert wurde, wodurch die gegen die Kirche gerichtete Front des Liechtenstein-Palais bedeutend gewann
  • Desgleichen nahm er Anteil an der Renovation der Kirche auf dem Kahlenberge, wie er überhaupt die Neubauten und Renovationen durch finanzielle Unterstützung oder durch die Anfertigung der Pläne durch fürstliche Architekten förderte
  • In letzterer Hinsicht verdienen besonders genannt zu werden die 1899 - 1903 im rheinischen Übergangsstil erbaute Canisiuskirche im neunten Wiener Bezirk, den Jesuiten zugehörig, und die zugleich mit dem Kloster erbaute Herz-Jesu-Kirche der Kongregation der "Dienerinnen des heiligsten Herzens Jesu" auf der Landstraße, ein romanischer Bau und übernimmt er einen Hauptteil der Baukosten für beide Bauprojekte
  • Seiner finanziellen Unterstützung ist das Entstehen namhafter historischer und kunstgeschichtlicher Publikationen zu verdanken, vorab der dreibändigen Geschichte des fürstl. Hauses von J. v. Falke

Um 1900 gab er den Auftrag zur Sichtung der liechtensteinischen Familien- und Herrschaftsarchivalien und Zusammenfassung derselben in einem Zentralarchiv.

 
Soziale Leistungen

Bemerkenswert war auch sein Einsatz auf sozialem und humanitärem Gebiet: Neben der Einführung fortschrittlicher Sozialleistungen für sein Personal gab er.bedeutende Spenden an zahlreiche Einzelpersonen, Wohlfahrtsanstalten und gemeinnützige Vereine und errichtete aus eigenen Mitteln.

Ein kleiner Überblick:

  • errichtete aus eigenen Mitteln 1884 das Pfründnerhaus in Mistelbach
  • 1892 das Spital der Barmherzigen Brüder in Feldsberg und
  • 1908 ein Frauenkrankenhaus in Feldsberg
  • 1903 Haus der Barmherzigkeit - Wien
  • Aufgrund seiner großzügigen Spende wird eine Liegenschaft im niederösterreichischen Kirchstetten gekauft. Hier eröffnet 1903 das Pflegeheim Clementinum. Es dient mit seiner Landwirtschaft auch als Lebensmittellieferant für das Haus der Barmherzigkeit in Wien
  • Fürst Johannes II., im Jahr 1900 spendet 10.000 Gulden zum Baue des neuen Armen- und Bürgerversorgungshauses Mödling

 

Biographie

Eltern

  • Fürst Alois II. Josef (1796-1858)
  • Gräfin Franziska Kinsky von Wchinitz und Tettau (1813-1881)

Geschwister

  • Marie (1834-1909), verheiratet 1860 mit Graf Ferdinand von und zu Trautmansdorff, († 1896)
  • Karoline (1836-1885), verheiratet 1855 mit Fürst Alexander von Schönburg-Hartenstein, († 1896)
  • Sophie (1837-1899), verheiratet 1863 mit Fürst Karl zu Löwenstein-Wertheim-Rosenberg, († 1921)
  • Aloysia (1838-1920), verheiratet 1864 mit Graf Heinrich von Fünfkirchen († 1885)
  • Ida (1839-1921), verheiratet 1857 mit Fürst Adolph Joseph zu Schwarzenberg, († 1914)
  • Franziska (1841-1858)
  • Henriette (1843-1931), verheiratet 1865 mit Prinz Alfred von und zu Liechtenstein, († 1907)
  • Anna (1846-1924), verheiratet 1864 mit Fürst Georg Christian von Lobkowitz († 1908)
  • Therese (1850-1938), verheiratet 1882 mit Prinz Arnulf von Bayern, († 1907)
  • Franz de Paula Maria Karl August, (1853-1938), verheiratet 1929 mit Elsa von Gutmann († 1947), 1929 übernimmt sein 13jahre jüngerer Bruder als Fürst Franz I. die Regentschaft.

Fürst Johann II. blieb zeitlebens unvermählt.

 
Ausbildung

Ausbildung durch ausgewählte Hauslehrer und Erzieher
Besuchte der Universität in Bonn und Karlsruhe
ausgedehnte Studienreisen durch Europa,
Sprachen: englisch, französisch, italienisch und tschechisch.

 
Auszeichnungen

Ehrendoktor der Universität für Bodenkultur Wien
Mitglied des Deutschen Archäologischen Instituts
Akademie der Wissenschaften in Wien, Ehrenmitglied er seit 1889.
Ca. 80x Ehrenmitglied in unzähligen Vereinen und Organisationen.

 
Regent

Er regierte 71 Jahre von 1858-1929

Mit achtzehn Jahren 1858 übernahm er die Stellung als Majoratsherr und souveräner Fürst von Liechtenstein, er übertrug aber 1859-1860 die Regentschaft auf seine Mutter Fürstin Franziska.

1859 besuchte er auch sein Land Liechtenstein, ordnete eine allgemeine Schulpflicht bis zum 14. Lebensjahr an und unterzeichnete am 26. September 1862 die erste Verfassung des Fürstentums. Beim Fürstentag von Frankfurt am 16. August 1863 war er als Vertreter seines Landes anwesend, obwohl er als fast krankhaft menschenscheu galt. 1866 mobilisierte er letztmals das liechtensteinische Militär und löste das Kontingent am 12. Februar 1868 auf.

Fürst Johann II. leitete in seiner 71-jährigen Regentschaft die Modernisierung des agrarisch orientierten Fürstentums ein: Ab 1869 war Liechtenstein mit dem Morse-Telegraphen, dem damals modernsten und raschesten Nachrichtenmittel, an die Welt angeschlossen. 1898 folgte das Telefon. 1887 erhielt Liechtenstein einen Bahnanschluss. Von 1905 bis 1912 ließ er das zuvor verpachtete und heruntergekommene Schloss Vaduz umfassend renovieren und wieder herstellen.

Im Großen Krieg von 1914 hielt der Fürst das Fürstentum in der Neutralität. 1918 erlebte er, wie die österreichisch-ungarische Monarchie unterging und Teile des nordmährischen Familienbesitzes dem neuen Staat Tschechoslowakische Republik einverleibt wurden.

1919 kündigte er den Zollvertrag von 1852 mit Österreich. Zu seinem 81. Geburtstag am 5. Oktober 1921 erließ Fürst Johann II. eine neue Verfassung für das Fürstentum, die seither gültig ist. Nach einem Postvertrag 1920 mit der Schweizer Eidgenossenschaft schloss er mit dieser 1923 auch einen Zollvertrag ab. Seit 1924 ist die schweizerische Währung anstelle der österreichischen das offizielle Zahlungsmittel im Fürstentum.

 

Der Papst als Fürst - Der Vatikan und Erzbergers Projekt Liechtenstein

1870 wurde Rom die Hauptstadt des vereinigten italienischen Königreiches. Der Papst war seines Kirchenstaates beraubt. Er zog sich als "Gefangener" in den Vatikan zurück, der rechtlich ein Teil des italienischen Staatsgebietes geworden war. Der Pontifex war fortan ein Herrscher ohne Land. Mit dem Eintritt Italiens in den Ersten Weltkrieg im Mai 1915 gewann die so genannte "römische Frage", die fast 60 Jahre andauernde Suche nach einem eigenen Land für den Papst, neue Brisanz. Wie sollte die Neutralität des Papstes glaubwürdig nach außen erkennbar sein, wenn er sich doch auf dem Gebiet eines der Kriegführenden Staaten aufhielt. Papst und Kurie in Rom, aber auch Katholiken aller Länder diskutierten verstärkt Möglichkeiten einer Lösung. Über einen deutschen Mittelsmann, den päpstlichen Kammerherrn Rudolf von Gerlach, hatte Erzberger sogar einen direkten Draht zu Papst Benedikt XV.

Im März 1916 wandte er sich mit einer besonderen Idee an den Pontifex. Er schlug ihm vor, mit dem Fürsten von Liechtenstein Verhandlungen aufzunehmen, um diesen zur Abtretung seines Landes an den Papst zu bewegen.

"Seine hochfürstliche Durchlaucht, der regierende Fürst von Liechtenstein tritt alle Souveränitäts- und Regierungsrechte über Sein gesamtes Fürstentum Liechtenstein an Seine Heiligkeit, Papst Benedikt XV. als den rechtmäßigen Inhaber des Heiligen Stuhls ab." So lautet die Kurzfassung des ersten Artikels eines brisanten Vertrages, der heute noch im Vatikanischen Geheimarchiv in Rom lagert. Das Papier ist allerdings mit "Entwurf" gekennzeichnet. Ihm fehlen die entscheidenden Unterschriften der Vertragsparteien

Anfang April 1916 übersandte Erzberger den Entwurf eines Abtretungsvertrages an den Papst und an Fürst Johann II. von Liechtenstein.

Der Papst sollte formell Staatsoberhaupt Liechtensteins werden, um ihm eine gleichberechtigte Teilnahme an einer europäischen Friedenskonferenz und eine bessere Verhandlungsposition gegenüber Italien zu sichern. Die eigentliche Herrschaft über das Alpenfürstentum sollte weiter beim Adelsgeschlecht der Liechtensteiner liegen, das seinen Besitz und damit seine wichtigsten Einnahmequellen behalten würde.

Über die Osterfeiertage des Jahres 1916 reiste Erzberger nach Wien, um dort im Geheimen mit der Familie Liechtenstein über die Abtretung zu verhandeln. Am 27. April berichtete er in einem Brief nach Rom über die zehntägigen Konsultationen in der österreichischen Hauptstadt. Erzberger trifft an vier aufeinander folgenden Tagen zunächst mit dem Thronfolger Prinz Alois von Liechtenstein zusammen. Dieser steht dem Abtretungsplan positiv gegenüber, drängt aber auf ein direktes Gespräch zwischen Erzberger und dem regierenden Fürsten Johann II. von Liechtenstein.

Der Unterhändler erfährt, dass der Fürst "keinen Wert auf die Erhaltung der Souveränität" legt: "Sein einziges Bedenken sei, dass Liechtenstein für den Papst zu klein sei." Erzberger sieht seinen Plan kurz vor der Verwirklichung. Doch noch hat er nicht die notwendige Zustimmung aller wichtigen Familienmitglieder erreicht.

Am Ostersonntag, dem 23. April 1916, trifft Erzberger den Prinzen Franz von Liechtenstein, den Bruder des regierenden Fürsten. Dieser lehnt das Projekt jedoch rundheraus ab. Noch am gleichen Tag konferiert Erzberger mit Fürst Johann II.. Johann erklärt nochmals seine grundsätzliche Bereitschaft zu dem Projekt. Doch die ablehnende Haltung seines Bruders macht es ihm unmöglich zuzustimmen.

Erzberger erkennt, dass "Prinz Franz die Seele des Widerstandes ist" und lässt nichts unversucht, diesen Widerstand zu brechen. Doch die Kurie in Rom reagiert enttäuscht auf den Bericht Erzbergers. Sein päpstlicher Mittelsmann Gerlach teilt ihm Anfang Mai 1916 mit: "Man hat hier die Ansicht, dass aus der Sache nichts mehr wird."

Erst im Februar 1929 kommen die "Lateranverträge" zustande welche die Errichtung des Vatikanstaates innerhalb Roms ermöglicht.

Auszug aus einem Artikel von Dr. René Schlott veröffentlicht am 19.3.2008 in Spielgel-Online